Szene aus Republic of Silence
Filmplakat von Republic of Silence

Republic of Silence

191 min | Dokumentarfilm
Zensierte Bilder, verordnetes Schweigen, Gedanken im Geheimen. Das Leben der syrischen Filmemacherin Diana El Jeiroudi war von Diktatur, Kriegen und Angst geprägt. In ihrem Film reflektiert sie eine politische Tragödie epischen Ausmaßes und stellt dieser ein Mosaik zutiefst persönlicher Momente gegenüber. Die dargestellte Zeit reicht von ihren ersten Erinnerungen im Alter von sieben Jahren, als sie von ihrem Vater die erste Kamera geschenkt bekommt, bis zur Gegenwart, in der sie mit ihrem Partner in Berlin lebt. Trost bieten ihr das Kino, die Musik, die Gewissheit von Träumen und die Solidarität einer tiefen Liebesbeziehung. "Republic of Silence" ist nicht nur ein berührendes filmisches Memoir, sondern auch eine vielschichtige Reflektion der politischen und sozialen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte in Syrien. Diana El Jeiroudis poetischer Filmessay wurde bereits bei den Filmfestspielen in Venedig gefeiert und hatte im Internationalen Wettbewerb von DOK Leipzig seine Deutschlandpremiere. Quelle: salzgeber.de"

Filmkritik

Eine Gardine aus Klöppelspitze bewegt sich unmerklich im Wind. Behutsam zeichnet eine Frau sich im Badezimmerspiegel einen breiten schwarzen Lidstrich. Wenig später gleitet ihre Hand durch das dichte Fell eines weißen Samojedenhundes. In der sanften Bewegung kommt ihr Ehering in den Blick. Mit einer wunderschönen Verkettung kommentarloser Großaufnahmen zeichnet die syrische Regisseurin Diana El Jeiroudi Eckpunkte eines Lebens im ungewollten Exil nach. El Jeiroudi lebt seit 2014 in Berlin. In „Republic of Silence“ spürt sie nicht nur der aus dem Verlust ihrer Heimat resultierenden Melancholie nach, sondern entwirft eine ausufernde Chronik der ihr nahestehenden Menschen und der konfliktreichen syrischen Geschichte.

Gemeinsam mit ihrem Mann Orwa Nyrabia, der ebenfalls Filmemacher und Produzent ist, sieht man sie in einer wiederkehrenden Einstellung vor dem Fenster ihrer Berliner Altbauwohnung am Tisch sitzen. Beide sind einander körperlich zugewandt, sehen sich aber doch nicht an, sondern blicken gedankenverloren in die Stadt hinaus. Spürbar lastet das Schweigen auf ihnen. Was heute anstehe, fragt Nyrabia einmal. Nur die übliche Hölle, antwortet El Jeiroudi, und gibt die Frage zurück. Büroarbeit, erwidert ihr Mann knapp, anschließend eine Therapiesitzung.

Die angedeuteten psychischen Schmerzen manifestieren sich manchmal auch körperlich. El Jeiroudi filmt sich, wie der Physiotherapeut ein Kinesio-Tape auf ihrem Rücken anbringt. Nachts hält sie mit der Kamera fest, wie ihr Mann in seinen Albträumen mit den Zähnen knirscht.

Ohnmacht des Schweigens

„Republic of Silence“ holt weit aus. Der Film beginnt mit einem Schwarzbild und eingeblendeten Kommentaren El Jeiroudis. Als sie sieben Jahre alt war, schenkte ihr Vater ihr eine Kamera. Damals wusste sie noch nicht recht, was sie damit aufzeichnen sollte. Heute sagt sie von sich, dass sie vieles gesehen habe, was sich bildlich kaum darstellen lasse. Die Verbrechen des Assad-Regimes gehören dazu. Dafür greift die Regisseurin auf eindrückliches Archivmaterial zurück.

Einen Teil ihrer Kindheit verbrachte El Jeiroudi im Irak. Nach Beginn des Golfkrieges musste die Familie in ihre syrische Heimat flüchten, wo niemand von ihrem Exil wissen sollte. Da sie einen irakischen Akzent sprachen, verlangte die Mutter, dass sie still sei. Eine erste Episode ohnmächtigen Schweigens und der Gefahr, die Stimme in einem Land zu erheben, dessen Konfliktlinien unüberschaubar bleiben. Die Macht der regierenden Baath-Partei wird in fragmentarischen Archivaufnahmen spürbar, die El Jeiroudi mit Erinnerungen an ihre Schulzeit verbindet. Militaristische Erziehung und ein Führerkult um die Assad-Familie prägen ihre Jugend.

Ein Bildermeer gegen den Verlust

Immer wieder springt „Republic of Silence“ zwischen der Gegenwart des Exils und den Aufnahmen aus Syrien vor dem Bürgerkrieg hin und her. Die Einteilung des Films in vier Kapitel folgt dabei nur lose einer historischen Chronologie. Während der knapp dreistündigen Laufzeit bilden sie eher willkürliche Zäsuren inmitten eines Gedankenstroms. Immer wieder unterbricht die Regisseurin die assoziativ montierten Sequenzen für eigene, auf Schwarzbild eingeblendete Kommentare. Sie dienen nicht zur Erläuterung des filmischen Materials, sondern bilden eher kleine sprachliche Inseln in einem unkontextualisierten Bildermeer.

Die erste Episode dreht sich um den Mediziner Rami Abou Jamra und sein Forschungsprojekt über eine Erbkrankheit unter syrischen Beduinen. El Jeiroudi begleitet den jungen Arzt, der mit seiner deutschen Frau in Erlangen lebt, bei seinen Studien in der ländlichen Provinz um Damaskus. Das religiöse Verbot der Geburtenkontrolle und die Praxis, innerhalb der Beduinen-Clans zu heiraten, führen zu tragischen Geschichten von Kindstod und schweren Behinderungen. Eher beiläufig werden Widersprüche in der syrischen Gesellschaft und ihrer disparaten sozialen Gruppen sichtbar.

In der zweiten Episode stehen El Jeiroudis Ehemann und dessen politisches Engagement im Vordergrund. Die Revolution in Syrien breitet sich aus, auf den Straßen liegen von der Folter gezeichnete Leichname. Mehrmals nimmt die Kamera die Toten in den Blick, doch der Fokus des Films liegt nicht auf der Dokumentation der politischen Prozesse, sondern den Erschütterungen, die der aufkommende Bürgerkrieg in El Jeiroudi und ihren Vertrauten auslöst. Immer wieder werden Großaufnahmen tickender Uhren ins Bild gerückt. Eines Abends erreicht Orwa Nyrabia den Flughafen nicht. Wie so viele andere Kritiker des Regimes wurde er entführt. Den Angehörigen bleibt nur ohnmächtiges Warten und der Versuch, durch die Medien Aufmerksamkeit für seine Freilassung zu erzeugen.

Ausfransende Erinnerungen

Das dritte Kapitel dreht sich hauptsächlich um die seit 2013 vermisste Menschenrechtsaktivistin Razan Zaitouneh, die als Gesicht der Revolution gilt. Wieder in Freiheit, bemüht sich Orwa Nyrabia um die Mobilisierung der westlichen Filmfestival-Community, um politischen Druck auf die Entführer auszuüben. Doch das Interesse bleibt sporadisch, was für alle Beteiligten eine ernüchternde Erfahrung ist. Die Zeit vergeht ohne greifbare Erfolge.

Im letzten Kapitel lassen sich die Schwächen von „Republic of Silence“ nicht mehr ignorieren. Über 600 Stunden Material standen der Regisseurin im Schnitt zur Verfügung, das meiste nur in der Qualität von Home Videos. Die Intensität der Aufnahmen ist sehr unterschiedlich. Es gibt dichte, packende Passagen, insbesondere wenn El Jeiroudi mit der Zärtlichkeit von Close Ups arbeitet. Weniger gut funktionieren die Vignetten von Angehörigen und ihres Alltags, die den Film ausfransen lassen, auch wenn der subjektive Wert dieser Aufnahmen für die Regisseurin deutlich wird. Manche Längen im Film haben eine klare ästhetische Intention; sie transportieren auf eindrückliche Weise das Gefühl von Schwermut, Stillstand und Sprachlosigkeit. Andere dagegen sind eher einem unentschiedenen Schnittprozess geschuldet.

Erschienen auf filmdienst.deRepublic of SilenceVon: Silvia Bahl (25.7.2023)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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