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Shining

146 min | Thriller, Horror | FSK 16
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Der Job scheint locker: Während der Winterpause soll Jack Torrance mit seiner Familie das luxuriöse Hotel "Overlook" beaufsichtigen. Das sein Vorgänger sich selbst tötete, stört Torrance wenig - bis auch er den diabolischen Mächten des Hotels verfällt...(Quelle: Verleih)

Filmkritik

"Barry Lyndon", Kubricks vorletzter Film, ließ einige Skeptiker befürchten, daß dieser Regisseur seine optische Brillanz bald zu einem Selbstzweck ohne inhaltliche Bezogenheiten werden lassen könnte. Im "Shining" nun ist diese Befürchtung auf beinahe perfekte Weise erfüllt: Kubricks Ausflug ins Horrorgenre ist keineswegs das "horror movie to end all horror movies" geworden, sondern eine von einem formalen Elefanten geborene inhaltliche Maus. Um das zu präzisieren: Nicht nur scheint Kubrick an seiner Geschichte desinteressiert, er unternimmt auch nur wenig, um die formalen Mittel in diese Story zu integrieren. Dabei ist die erzählerische Vorlage (von Stephen King, der bereits bei Brian de Palmas "Carrie" Pate stand) in ihrem Montieren mehrerer traditioneller Horror-Elemente durchaus reizvoll. Kurz gesagt handelt es sich um das langsame Abdriften eines Menschen in den Wahnsinn, das ausgelöst wird durch seine Isolation und Abgeschiedenheit in einem einsamen Hotel, dem riesigen "Overlook"-Hotel in Colorado, in dem er während der Wintermonate mit seiner Familie als Hausmeister angestellt war. Dieser Jack Torrance (Jack Nicholson, von "Time" einmal in einer Titelgeschichte als "the Star with the Killer Smile" bezeichnet, dessen schauspielerische Methode seit dem arg überschätzten Kuckucksnest vornehmlich im Überagieren, Chargieren und Grimassieren zu liegen scheint) wird in dem eingeschneiten Berghotel, ohne Verbindung zur Außenwelt, weder mit seinen künstlerischen Problemen fertig - er will einen Roman schreiben, bringt aber nur eine sich in endlosen Variationen wiederholende Zeile zustande - noch mit dem Hotel, dessen blutige Vergangenheit ihn in einen Rausch treibt, der ihn dazu zwingt, seine Familie ermorden zu wollen, insbesondere seinen fünfjährigen Sohn, dessen Gabe des "shining", des zweiten Gesichts, den Zuschauer mit eben diesen Ereignissen der Vergangenheit konfrontiert, mit denen sich Jack zunehmend identifiziert und die ihn schließlich selbst in den Tod führen.

Die in diesem Inhalt manifesten Motive - das "old dark house", das zweite Gesicht, der Prozeß des Wahnsinnigwerdens und Situationen von Klaustrophobie - sind im "Shining" jedoch plakativ und ohne rechte Entwicklung nebeneinandergestellt. Die Wahrnehmung zukünftiger Ereignisse etwa ist in Nicholas Roegs "Wenn die Gondeln Trauer tragen" (1972 (fd 18980)) weitaus überzeugender in eine Realität und Irrealität vermischende Geschichte umgesetzt worden. Kubricks Irrtum bezüglich seiner Visionen hängt mit seiner Vorstellung von Horror zusammen, den er erklärtermaßen realistisch inszeniert, d. h. wörtlich - zu wörtlich - nimmt (die Mauern des Hotels schwitzen nicht nur Blut, sie schütten es geradezu in einem Sturzbach aus, und die "Badewannenszene" hätte ebensogut aus einem drittklassigen"Zombie"-Film stammen können) und den Horror gerade dadurch um seine Wirkung bringt. Haben etwa Filme wie der immer noch unerreichte "Cat People" (1942) von Jacques Tourneur ihren Schrecken aus der subtilen und unmerklichen Veränderung normaler und klaustrophobischer Situationen gewonnen, ohne die Ursachen dieses Schreckens sichtbar werden zu lassen, sie vielmehr als permanente Irritationen angelegt, deren Ungewißheit und deren geheimnisvolle Aura erst eine Atmosphäre der Unruhe und der Angst schaffen, so "klotzt" Kubrick geradezu mit seinen Effekten. Die Musik ersetzt bei ihm die unheimliche Situation und soll den Grusel erzeugen, der in den Bildern trotz aller Schock-Elemente nicht vorhanden ist. So hängt sein Film über weite Strecken durch und ist weder eine Studie des Wahnsinns noch eine konsequent durchgehaltene Vision des zweiten Gesichts (der Titel täuscht, denn es geht mehr um Jack als um seinen Sohn), und erst im Finale kommt so etwas wie dann aber kaum mehr berührende Spannung auf.

Dieses Manko hängt zum anderen damit zusammen, daß Kubrick nur noch an formalen Problemen interessiert ist. Zwar gelingt es ihm, aus den verschiedenen architektonischen Stilen des gigantischen Hotels - Art Deco, Gründerstil, indianische Dekorationen und neben rustikalen Elementen auch futuristische Einrichtungen - geradezu geometrische Kompositionen und Tableaus von überwältigender Schönheit zu gestalten, aber all das ist ohne Funktion und ohne Bezug zur Handlung. Und das neuartige Steadycam-System, mit dem bereits Bertolucci in "La Luna" und Nikiaus Schilling im "Willi-Busch-Report" erfolgreich arbeiteten - die Kamera wird extrem beweglich und kann Fahrtaufnahmen beliebiger Geschwindigkeit auch ohne Schienen und in engen Räumen vollziehen, ohne daß Verzerrungen auftreten -, läßt den Verdacht aufkommen, daß Kubrick den Film nur inszeniert hat, um in den Korridoren und Fluren des (Studio-)Hotels und in dem Heckenlabyrinth davor seine Kamera-Kunststücke präsentieren zu können. Diese Irrgarten-Sequenzen, die als Seelenlabyrinth zu bezeichnen zuviel Ehre für "Shining" wäre, sind denn auch das beste an Kubricks bombastischer Inszenierung, deren künstlerischer Ego-Trip noch lange keine überzeugende Reise durch das Land des Schreckens und des Wahnsinns ausmacht.

Erschienen auf filmdienst.deShiningVon: Hans Gerhold (25.1.2024)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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