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Sisu

91 min | Action, Horror, Kriegsfilm | FSK 18
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Finnland 1944: Aatami Korpi hat dem Krieg den Rücken zugewendet und findet nach Jahren der Suche im Boden Laplands eine Goldader. Auf seinem Weg durch die Wildnis trifft er auf eine Kompanie deutscher Soldaten, die ihm das Gold abnehmen wollen. Sie haben nicht mit Aatamis Überlebenskünsten gerechnet.
  • RegieJalmari Helander
  • ProduktionFinnland, Vereinigte Staaten
  • Dauer91 Minuten
  • GenreActionHorrorKriegsfilm
  • AltersfreigabeFSK 18
  • TMDb Rating7/10 (1576) Stimmen

Filmkritik

Die schier endlosen grasbewachsenen Hügel Lapplands sind als Schauplatz zeitlos. Auch der bärtige, in altmodische Kleidung gehüllte Mann, der hier ein Erdloch buddelt, lässt keinen genauen Schluss zu, wann die Geschichte spielt. Konkreter wird es in dem historischen Actionfilm von Jalmari Helander erst mit dem Auftritt der Bösewichte. Nachdem plötzlich Kampfflugzeuge am Himmel erschienen sind, rattern wenig später Nazis mit ihren Panzern durch die unberührte Landschaft.

„Sisu“ spielt im Jahr 1944, als die Wehrmacht kurz vor ihrer Niederlage in Finnland wütete. Der bärtige Mann namens Aatami (Jorma Tommila) ist zwar ein Veteran des Winterkriegs, entzieht sich jedoch dem aktuellen Geschehen, um mit seinem Pudel auf Goldsuche zu gehen. Erst als eine deutsche Einheit unter Leitung des kaltblütigen Obersturmführers Bruno (Aksel Hennie) nach seiner Beute trachtet, kommt es zum erbitterten Gefecht.

Ein reduziertes, fast abstraktes Setting

Die darauffolgende Handlung ist nicht viel mehr als ein blutiges, in immer wieder neuen Variationen durchgespieltes Duell. Die Figuren bleiben dabei gezielt grob gezeichnet; gesprochen wird kaum. Das reduzierte, fast abstrakte Setting füllt „Sisu“ mit vielen Referenzen aus Genre- und Exploitationfilmen. Während die Kapitel mit reißerischen Titeln im Retro-Look eingeblendet werden, beschwört der Soundtrack düstere Wikinger-Romantik, zitiert die Musik von Italo-Western und schlägt mit harten Metal-Riffs eine Brücke zur Gegenwart. An Quentin Tarantinos ironisch gebrochene Kinofantasien muss man dabei ebenso denken wie an den stilisierten Genre-Minimalismus von Nicolas Winding Refn oder die ausladenden Actionsets der „John-Wick“-Reihe.

Helander versucht seinem Film jedoch auch eine eigene Note zu geben. Der Titel beschreibt eine typische Eigenschaft des finnischen Nationalcharakters, die man etwa mit Widerstandskraft, Mut oder Durchhaltevermögen übersetzen könnte. Aatami ist eine Verkörperung dieses Prinzips. Er sucht keine Konfrontation, lässt sich aber auch nichts gefallen. Der Goldgräber ist ein sturer Einzelgänger, der weder politische noch moralische Beweggründe hat. Ob es, wie einst, gegen die Sowjets geht oder nun eben gegen die Nazis, spielt für ihn keine Rolle.

Aatami ist ein Kämpfer mit fast übermenschlichen Kräften, der von einem unheroischen Pragmatismus getrieben ist. Eine von den Nazis gefangene Finnin bezeichnet seinen brutalen Rachefeldzug ungewöhnlich defensiv: Er sei nicht unbesiegbar, sondern „weigere sich lediglich zu sterben“. Zunehmend angeschlagen schleppt sich der zähe Protagonist von einer Auseinandersetzung zur nächsten. Seine Gegner schaltet er dabei abwechselnd zu Land, Wasser und Luft aus.

Comicartige Brutalität, sehr realistische Wunden

„Sisu“ widmet sich dabei zwei sehr unterschiedlichen Arten von Gewalt: einerseits einer comicartig überzeichneten Brutalität, bei der überdimensionale Messer in Köpfe gerammt und Menschen von Explosionen zerfetzt werden; andererseits aber auch deutlich unspektakuläreren Verletzungen, die umso realistischer dargestellt sind. Immer wieder fangen Großaufnahmen diese äußerst detailliert gestalteten Fleischwunden auf unangenehme Weise ein. Als sich Aatami einmal eines Galgens entledigen will, entsteht daraus eine fast zeitlupenartige Befreiungsaktion, bei der ein herausstehender Nagel eine besondere Rolle spielt. Wenn Aatami später sein Hemd auszieht, um sich zu verarzten, entblößt er dabei einen Oberkörper, der so vernarbt, zerlöchert und verformt aussieht, dass man schon fürchtet, es könnten ihm jederzeit die Organe herauspurzeln.

Weniger eindringlich als der körperlichen Versehrtheit des Protagonisten widmet sich „Sisu“ dem Actionspektakel. Auch hier scheint es, als würde Helander einen betont nordischen Ansatz suchen, der weniger dynamisch und virtuos als lakonisch und karg ist. Auf Dauer wirkt diese Ästhetik jedoch ein wenig monoton und stumpf. Überhaupt fühlt sich die Reduktion und Getragenheit des Films etwas leer an. Weder wollen sich die Referenzen zu einem einheitlichen Ganzen formen, noch zündet der Konflikt zwischen dem stoischen Aatami und den teuflischen Nazis. Statt sich dem Eifer des Gefechts hinzugeben, verharrt „Sisu“ zu häufig in seinen etwas mechanisch wirkenden szenischen Anordnungen.

Erschienen auf filmdienst.deSisuVon: Michael Kienzl (28.1.2024)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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