Szene aus Soll ich dich einem Sommertag vergleichen?
Filmplakat von Soll ich dich einem Sommertag vergleichen?

Soll ich dich einem Sommertag vergleichen?

63 min | Drama, Musik
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Szene 1 aus Soll ich dich einem Sommertag vergleichen?
Szene 2 aus Soll ich dich einem Sommertag vergleichen?
Szene 3 aus Soll ich dich einem Sommertag vergleichen?
Der Regisseur verwandelt das Tagebuch seiner sexuellen Abenteuer in eine Fortsetzungsgeschichte im Stil von „Tausend und eine Nacht“. Dieses polyamor gesinnte Queer-Musical geht mit Volksmärchen genauso spielerisch um wie mit ägyptischer Popmusik.
  • RegieMohammad Shawky Hassan
  • Dauer63 Minuten
  • GenreDramaMusik
  • TMDb Rating6.7/10 (3) Stimmen

Filmkritik

Geschichten aus dem Off. Eine Gruppe Männer spricht über ihre Affären und Beziehungen, über Dates und Sex. „Dies ist eine Geschichte über Liebe und Leben. Nur eine Geschichte? Zwei? Mehr Geschichten heißt mehr Lesarten.“ Keine geringere als Sheherazade, die Erzählerin der Erzählerinnen, bildet den Rahmen für die Storys der Männer. „Soll ich dich einem Sommertag vergleichen?“ von Mohammad Shawky Hassan eignet sich die märchenhafte Form an, um arabische Männer in erster Person aus ihren schwulen Leben erzählen zu lassen.

Ein Chor von Männerstimmen

„Das Zimmer aber ward Zeuge einer Nacht, / wie sie keiner von ihnen je wieder verbracht. / Eine Nacht voll unermesslicher Freuden, / das können die vier Wände bezeugen. / Da wurde geküsst, da wurde gedrückt, / da wurde gestreichelt, gesaugt und gefickt.“ Männerkörper eng verschlungen, Hände streichen, drücken, suchen. „Soll ich dich einem Sommertag vergleichen?“ ist ein sinnlicher Film voller intimer Erzählungen. Auf die Liebesnacht folgt eine Tanzeinlage, zu der aus dem Off ein Chor von Männerstimmen singt.

Der Film ist eine überbordende Collage, zusammengehalten und getragen von den Erzählungen. Kurze Szenen, zu Beginn oft Tableaux vivants, später Spielszenen, illustrieren die Erzählungen, rekonstruieren die Geschichten der jeweiligen Erzähler, streng aus ihrer Perspektive erzählt. Die Spielszenen finden in einem gefilmten Bühnenraum statt oder setzen die Figuren per Green-Screen vor Hintergründe, die Versatzstücke der Geschichten aufgreifen. Die Szenen wiederum werden in recht schneller Folge von Zwischenüberschriften in Kapitel gegliedert.

Keine der Spielszenen stellt das Primat der Erzählung als bestimmendes Element des Films in Frage. „Soll ich dich einem Sommertag vergleichen?“ ist bei aller Sinnlichkeit ein kontrollierter Film. Wenn die Männer überhaupt im Bild und nicht aus dem Off sprechen, reden sie frontal in die Kamera. Das bezieht einerseits die Zuschauer:innen in die Intimität des Films mit ein, verhindert aber andererseits oft Interaktion der Figuren. Die Montage legt den Szenen in der Gliederung in die Kapitel zusätzliche Zügel an. Einzig den Singszenen gelingt es, diesem Korsett zu entkommen. Sie sind die freisten des Films. Der Regisseur erprobt darin Formen, legt Gesichter übereinander, lässt drei Männer in Drag vor Glitzervorhang auftreten. Die Tonspur ergänzt all diese Elemente um Ausschnitte aus Filmen und Fernsehsendungen.

Ohne falsche Prüderie

„Soll ich sich einem Sommertag vergleichen?“ ist nach den Worten von Mohammad Shawky Hassan das Resultat eines kollektiven Prozesses. „Der Film [arbeitet sich] in Richtung einer queeren arabischen Ästhetik vor, die sich mit der Geschichte, aus der sie hervorgeht, auseinandersetzt und eine Gegenposition vorschlägt, die von Exotismen ebenso weit entfernt ist wie von Opferdenken.“ Die filmische Ästhetik misstraut dabei weitgehend Filmbildern, sondern setzt stattdessen auf eine Theaterästhetik mit realen oder virtuellen Bühnenräumen, von denen aus eine überschaubare Anzahl Figuren auf die vierte Wand hin spricht.

Neben den Singszenen brechen vor allem einige animierte Szenen mit dieser Logik des Theatralen. Einmal öffnet sich das Filmbild in die Tiefe hinein, die Kamera dringt zwischen Fischen und anderen Meereswesen in eine Unterwasserwelt vor. Ein anderes Mal erweist sich in einem Spiel von Wellen und dem Licht einer Öllampe am Ufer eine Art Stele im Meer als Palast eines Fantasiewesens.

„Soll ich dich einem Sommertag vergleichen?“ verbindet die Suche nach einer Form, um über queeres arabisches Leben zu sprechen, mit der Selbstermächtigung, dies ohne falsche Prüderie oder Rechtfertigungen zu tun. Gegen die heteronormativen Konventionen von Märchen und allzu vieler Filme beharrt Mohammad Shawky Hassan nach den Bekenntnissen seiner Protagonisten auf deren Recht auf ein Happy End. „Der Jüngling und sein Geliebter lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage.“

Erschienen auf filmdienst.deSoll ich dich einem Sommertag vergleichen?Von: Fabian Tietke (27.9.2022)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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