Szene aus Spell
Filmplakat von Spell

Spell

92 min | Horror
Die ländliche Region Appalachia im Osten der USA: Marquis (Omari Hardwick), seine Frau Veora (Lorraine Burroughs) und die gemeinsamen Kinder im Teenager-Alter Tydon (Kalifa Burton) und Samsara (Hannah Gonera) sind mit dem Flugzeug auf dem Weg zur Beerdigung seines Vaters. Der Flieger gerät in einen Sturm und stürzt ab. Als Marquis aufwacht, befindet er sich auf dem Dachboden von Eloise (Loretta Devine). Die alte Dame macht zunächst einen freundlichen Eindruck. Doch sie hat eine Puppe aus der Haut von Marquis gemacht, den sie nun per Hoodoo-Magie unter Kontrolle hat. Marquis muss seine Familie retten, bevor der nächste Blutmond aufgeht...
  • RegieAmit Dubey
  • Dauer92 Minuten
  • GenreHorror

Filmkritik

Die letzte Ehre für jemanden, den man eigentlich nicht kannte. Auch wenn Marquis Woods (Omari Hardwick) seinen alten Vater ewig nicht gesehen und seine alte Heimat Kentucky längst hinter sich gelassen hat, will er beide dennoch ein letztes Mal ehren. Zusammen mit seiner Frau Veora (Lorraine Burroughs) und seinen fast erwachsenen Kindern Samsara (Hannah Gonera) und Tydon (Kalifa Burton) besteigt er das familieneigene Privatflugzeug und beginnt eine Reise von der zivilisierten Großstadt in die archaischen Appalachen – dort wo die Landeier wohnen oder „country niggas“, wie Sohn Tydon despektierlich anmerkt. Doch auch wenn seine Mutter sich derlei rassistische Bemerkungen verbittet, hat auch sie mit der Verwandtschaft nie Kontakt gesucht. Ein Aufprall zweier Welten bahnt sich an, die in den Augen der reichen Anwaltsfamilie inkompatibler nicht sein könnten.

Der Prolog leitet den Film so ein, als könne er der Auftakt eines Culture-Clash-Dramas über die alles andere als homogene „Black Community“ der USA sein. Doch spätestens als eine Gewitterfront aufzieht und Screamin’ Jay Hawkins’ „I Put a Spell on You“ aus dem analogen Bordradio krächzt, wird klar: „Spell“ ist eine Reise in eine andere Realität.

Stephen King trifft „Hoodoo-Land“

Als Marquis in einem fremden Bett aufwacht, spürt er alle seine Knochen und einen brennenden Stich in seiner Ferse, der ein Auftreten nahezu unmöglich macht. Die rüstige Miss Eloise (Loretta Devine) hat dennoch ihre liebe Mühe, den bulligen Mann in der Waagerechten zu halten. Was ist passiert? Wo sind seine Frau und die Kinder? Zum Glück ist da der ebenso einfältige wie hünenhafte Lewis (Steve Mululu), der Marquis immer wieder ins Bett zurückträgt, wenn er versucht das schäbige Dachgeschoss des alten abgelegenen Hauses in der bergigen Einöde zu verlassen.

Ein wenig mutet die Szenerie an, als spiele Stephen Kings „Misery“ in „Hoodoo-Land“ (die Festlandvariante des haitianischen Voodoo-Kults). Überall Tierknochen, seltsam drapierte, aus Menschen- und Pflanzenresten gebastelte Puppen, überall Dreck, schwüle Luft und brodelnde Töpfe mit streng riechenden Eintöpfen in Küchen, in denen jeglicher Hunger verschwindet. Hier in „Spell“ geht nichts mit rechten Dingen zu. Miss Eloise und ihr Mann Earl (John Beasley) sind kein nettes älteres Ehepaar und der Flugzeugabsturz der Woods ist bei weitem nicht das Schlimmste, was der Familie hier in der Abgeschiedenheit passieren wird.

Dichte Atmosphäre, löchrige Geschichte

„I Put a Spell on You“ ist nicht die einzige Zutat, die Regisseur Mark Tonderai gewählt hat, um den Zuschauer in eine Welt voller Unheil zu entführen. Sein Kameramann Jacques Jouffret taucht das Set in satte Farben, wechselnd zwischen glühendem Orangebraun am Tag und fahlem Blau in der Nacht, um aus dem ländlichen Kentucky sein „Hoodoo-Land“ zu kreieren. Hier huschen die Götzenanbeter zu jeder Tageszeit durch Bild und halten ihre bizarren Messen. Ein Fluch liegt auf allem und so hat man auch als Betrachter kaum Zeit, Atem zu holen. Immer ist Eloise da, verstreut lähmenden Staub oder schnürt die passende Hoodoopuppe noch ein wenig fester, sodass der Atem stockt.

Tonderai und Jouffret setzen auf die „totale Atmosphäre“, weshalb auch keine Blickachse gerade und keine Halbtotale frontal ist. Hier ist alles wie im Hexenhaus. So stimmig diese Atmosphäre auch bis zum Finale wirkt, so heftig die punktuelle Gewalt und so nachvollziehbar der Schmerz für alle ist, die schon einmal einen Splitter im Fuß hatten, so schwer tut sich „Spell“ mit seiner eigenen Geschichte.

Irgendwie ist da ein Fluch, es geht um Wiedergeburt in neuen Körpern, es geht um das Gefangensein, um die Suche nach der totgeglaubten Familie und darum, besagten „gottverdammten“ Fluch zu brechen. Dabei bedient sich Drehbuchautor Kurt Wimmer, der seit den 1990er-Jahren mit Klassikeradaptionen („The Thomas Crown Affair“, „Total Recall“) sein Geld verdient, leidlich bekannter Versatzstücke aus dem Horror-Almanach inklusive all der Gimmicks, die man so in petto hat gegen schwarze Magie. Und wenn am Ende nichts mehr hilft, ist Feuer immer eine gute Wahl. Es ist schade, dass ein audiovisuell derart stimmiger Film eigentlich nicht viel zu erzählen hat. Und so muss man sich eben einen eigenen Reim auf alles machen und trefflich gruseln, wenn man sich auf das wohlausgeleuchtete Ambiente einlässt.

Erschienen auf filmdienst.deSpellVon: Jörg Gerle (26.1.2022)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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