Szene aus Spiral - Das Ritual
Filmplakat von Spiral - Das Ritual

Spiral - Das Ritual

116 min | Thriller, Horrorfilm | FSK 16
Szene 1 aus Spiral - Das Ritual
Szene 2 aus Spiral - Das Ritual
Malik (Jeffrey Bowyer-Chapman) und Aaron (Ari Cohen), ein homosexuelles Pärchen, versuchen mit der 16-jährigen Kayla (Jennifer Laporte) einen Neuanfang in einer malerischen Kleinstadt. Beide sind es aufgrund ihrer sexuellen Orientierung gewohnt, auf Ablehnung zu stoßen. Hier scheint das Paar in der Nachbarschaft jedoch zuerst willkommen zu sein. Bald jedoch häufen sich schon die mysteriösen Vorfälle und die Homophobie der Ortschaft kommt immer deutlicher zum Vorschein. Zu spät realisieren die Beiden, dass die Ereignisse nicht nur einem klaren Muster unterliegen, sondern auch auf ein schreckliches Ritual hinweisen.

Filmkritik

Einfach neu anfangen, dort, wo man von der Stille taub werden kann, wie es die 15-jährige Kayla (Jennifer Laporte) treffend und nicht gerade freudestrahlend formuliert hat – das erhoffen sich Kaylas Vater Aaron (Ari Cohen) und sein Partner Malik (Jeffrey Bowyer-Chapman) von ihrem Umzug aufs Land. Die beiden sind schon länger ein Paar und haben Aarons 15-jährige Tochter aus erster Ehe im Schlepptau. Großstadtleben ist out und in Zeiten von Homeoffice und Highspeed-LAN beruflich nicht zwingend notwendig. Außerdem gilt es die Dämonen der Vergangenheit abzuschütteln, vor allem für Malik. Homophobie begleitet den jungen Mann schon seit seiner Jugend, und die Albträume, mit denen er einen brutalen Überfall auf ihn und seinen damaligen Freund zu verarbeiten sucht, sind auch nach all den Jahren so drastisch und präsent, dass klar ist, dass das Trauma noch nachwirkt.

Aber mit Aaron und seiner herzlich-spröden Tochter an seiner Seite sollte der Neuanfang doch gelingen. Zumal sich die Nachbarn auf dem Lande erstaunlich liberal zeigen. Blumen zum Einzug, eine schnelle Partyeinladung… Marshal (Lochlyn Munro) und Tiffany (Chandra West) finden es so „spannend“, dass sich jetzt auch ein männliches Paar zu ihrem großen Bekanntenkreis gesellt. Zudem ist ihr Sohn Tyler (Ty Wood) nicht nur Single, sondern auch noch so attraktiv, dass auch Kayla den Umzug in positiverem Licht sieht und das Haus am See im Nirgendwo plötzlich gar nicht mehr als schlechte Wahl empfindet.

Seltsame Blicke und seltsame Geräusche

Doch es gibt sie auch hier, diese seltsamen Blicke von wortlosen und nicht gerade sympathischen Zeitgenossen. Und dann sind da noch die seltsamen Geräusche, die Malik aus seinem leichten Schlaf schrecken und ihn heimlich eine Alarmanlage installieren lassen – in einer Gegend, in der man doch eigentlich die Haustür vorm Schlafengehen nicht abschließt!

Als der alte, mürrische Mr. Reinhart selbige vor Morgengrauen auslöst und Malik ihn im Garten stellt, erkennt er, dass er keinesfalls paranoid ist. Im Gegenteil, der alte Mann steckt ihm mit einer unverhohlen ausgesprochenen Warnung einen scheinbar unbeschriebenen Zettel zu. Kaum eine Nacht später ist der Alleinstehende tot. Herzinfarkt, so heißt es.

„Spiral – Das Ritual“ bietet alle Ingredienzien eines klassischen Home-Invasion-Horrors auf: Eine glückliche, aber labile und vulnerable Familie in neuer Umgebung. Wohnungen mit viel Platz für unheimliche Schatten und Geräusche. Eine paranoide Grundeinstellung beim einen, Ungläubigkeit beim anderen Protagonisten. Eine Umgebung, die idyllisch, bei fahlem Licht aber schnell auch bedrohlich sein kann. Schließlich Antagonisten, deren wahre, unwirkliche, mitunter monströse Natur erst offenbar wird, wenn es schon zu spät ist. Bereits Roman Polanskis Rosemaries Baby (1968) und Bryan Forbes’ Die Frauen von Stepford (1975) haben frühe Archetypen des Genres geschaffen, das Jordan Peele 2017 mit Get out so trefflich variierte. Nun ist es also ein homosexuelles Paar, welches in den perfiden Strudel feindlicher Nachbarn gerät.

Der Hort einer okkulten Sekte

Doch auch wenn die Drehbuchautoren Colin Minihan und John Poliquin ihren „Zweifler“ Malik langsam erkennen lassen, dass hier wohl alle zehn Jahre ein vermeintlich gleichgeschlechtliches Paar seltsamen Umständen zum Opfer fällt, geht es „Spiral – Das Ritual“ nicht in erster Linie um Homophobie im ländlichen Amerika. Der Ort, in dem der Film spielt, scheint ein Hort einer obskuren okkulten Sekte zu sein, die Menschenopfer für ihre Anführer braucht; dafür kreieren die Anhänger des Kults unter den Einwohnern ein grundsätzliches Klima der Angst vor dem Fremden, das sie für sich nutzen, um von ihren Umtrieben abzulenken und ihr monströses Werk in Ruhe und unerkannt kultivieren zu können. Solange es Vorurteile gibt, die die Menschen blind machen, sehen sie nicht, wer die wahren Zersetzer sind. Und so rückt plötzlich Malik, der eigentlich ein Opfer ist, in den Augen der neuen Nachbarn in die Rolle eines Täters. Kein Wunder, ist er doch ohnehin „anders“.

„Spiral – Das Ritual“ ist geschickt im Erzeugen der latenten Paranoia, die er mit dem Horror einer Parallelgesellschaft würzt, die nicht von dieser Welt scheint. Plump wird die ansonsten souveräne Inszenierung von Regisseur Kurtis David Harder immer nur dann, wenn die Geister allzu physisch werden. Ansonsten weiß der Kanadier seine Vorbilder aus den 1960er- und 1970er-Jahren gut zu variieren und in seiner Pointe den Fokus sogar noch einmal zu weiten. Auf der Hut vor der Spirale muss nämlich ein jeder sein, der nicht der Norm entspricht. Und das sind aus Sicht der Sekte viele!

Erschienen auf filmdienst.deSpiral - Das RitualVon: Jörg Gerle (23.1.2023)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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