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Stardust

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„Starry-eyed“ ist das englische Pendant zum deutschen „blauäugig“ und charakterisiert treffend den Blick des Halbwaisen Tristan, des jugendlichen Helden des Films, wenn er nachts im Dörfchen Wall unter dem Balkon der Dorfschönheit Victoria steht und zu ihrem Fenster hinaufschaut. Tristan ist verliebt, und zwar so heftig, dass er übersieht, wie selbstbezogen und oberflächlich die junge Dame eigentlich ist. Um ihr Herz zu gewinnen, verspricht er, ihr einen Stern zu bringen, den die beiden bei einem nächtlichen Picknick als Schnuppe vom Himmel fallen sehen. Der Himmelskörper ist allerdings hinter jene geheimnisvolle Mauer gestürzt, der das Dorf seinen Namen verdankt und die seit Generationen streng bewacht wird – hinter ihr liegt nicht das viktorianische England, in dem Tristan aufgewachsen ist, sondern das magische, abenteuerliche Königreich Stormhold. In diesem sind turbulente Zeiten angebrochen: Der alte König ist tot, seine Söhne konkurrieren um die Nachfolge. Die soll derjenige antreten, der als erster das Rubin-Amulett wiederfindet, das der sterbende Monarch aus dem Turmfenster warf – und dabei prompt den Stern vom Nachthimmel fegte, den Tristan fallen sah. Der Himmelskörper schlägt in Form einer jungen Frau in Stormhold auf, nimmt das besagte Amulett an sich und wird nun gleich von drei Seiten gejagt: von Tristan, der das Sternmädchen als „Verlobungsgeschenk“ für Victoria haben möchte, von einem sinistren Thronanwärter und von einer bösen Hexe, die zusammen mit ihren Schwestern das Herz des Sterns vertilgen und sich dadurch neue Jugendlichkeit sichern will. Zum Glück findet Tristan das Mädchen als erster, und gemeinsam brechen sie zu einer turbulenten Rückreise gen Wall auf, in deren Verlauf Tristan nicht nur die wahre Liebe entdeckt, sondern auch das Geheimnis seiner Herkunft lüftet. Kinoadaptionen populärer Fantasy-Romane gehören seit den Erfolgen der „Herr der Ringe“-Trilogie und des „Harry Potter“-Zyklus so unausweichlich zum Vorweihnachtsgeschäft wie Lebkuchen und Glühwein. Noch bevor die „Narnia“- sowie die „Eragon“-Reihe zu Ende erzählt sind, drängen weitere Verfilmungen fantastischer Romane auf die Leinwand – unter ihnen als herbstlicher Vorreiter der „Sternwanderer“ nach einer gleichnamigen Novelle von Neil Gaiman, der sich nicht nur als Romanautor, sondern vor allem auch als Schöpfer fantastischer Comics („The Sandman“) einen Namen gemacht hat. Etwas ärgerlich ist diese Fließband-Produktion von Fantasyfilmen schon, haben es die schönen literarischen Vorlagen doch nicht verdient, in der Kinoauswertung dermaßen „verheizt“ zu werden und im Überangebot unterzugehen. Der drohenden Übersättigung an perfekt animierten magischen Kreaturen, epischen Gut-Böse-Schlachten und pittoresken Anderwelt-Kulissen begegnet „Der Sternwanderer“ allerdings geschickt dadurch, dass das Hauptaugenmerk hier nicht so sehr auf den genreüblichen „production values“ liegt, sondern mehr auf den Charakteren: Claire Danes als missgelauntes Sternmädchen und Charlie Cox als naiver Tristan, die sich in bester Screwball-Tradition erst zanken, bevor sie allmählich Gefühle füreinander entdecken und mit der äußeren Reise einen inneren Reifeprozess durchlaufen, sorgen mit ihren darstellerischen Qualitäten dafür, dass die Geschichte auch ohne Effekt-Gewitter trägt. Flankiert werden sie von spleenigen, hochkarätig besetzten Nebenfiguren, unter denen besonders die Söhne des Königs von Stormhold glänzen – sechs von ihnen von Anfang an oder alsbald als Toten-Geister, da beim Kampf um den Thron fröhlich über Leichen gegangen wird. Köstlich auch Peter O’Tooles Cameo-Auftritt als deren Vater, der sich regelrecht totlacht, als er beobachtet, wie sein besonders giftiger siebter Sohn den Zweitgeborenen kurzerhand aus dem Fenster stößt. Nicht unterschlagen werden soll Robert De Niro als Luftschiff-Pirat mit schlechtem Ruf, aber sanftem und kultiviertem Herzen, der bei einem Auftritt in Korsage und Federboa Michelle Pfeiffers Hexe an Gruseligkeit locker in den Schatten stellt, sich sonst aber als väterlicher Mentor bewährt. Insgesamt trifft der Film passabel den schwarzhumorigen, makabren, an Terry Pratchett und Douglas Adams geschulten Tonfall, der Neil Gaimans Märchen für Erwachsene auszeichnet.

Veröffentlicht auf filmdienst.deStardustVon: Felicitas Kleiner (9.12.2025)
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