Szene aus The Sound of Cologne
Filmplakat von The Sound of Cologne

The Sound of Cologne

98 min | Dokumentarfilm | FSK 12
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National wird das musikalische Bild von Köln durch Karneval und Kölschrock bestimmt, international allerdings ist die Stadt vor allem als Zentrum elektronischer Musik berühmt. THE SOUND OF COLOGNE verfolgt diese Geschichte von Karlheinz Stockhausen und dem legendären Studio für elektronische Musik im WDR über die Krautrocker von Can bis heute. Es zeigt sich, dass direkte Linien über die Jahrzehnte gezogen werden können und dass die verschiedenen Szenen über einflussreiche Clubs, Labels und Plattenläden eng miteinander verbunden sind.
  • RegieKristina Schippling
  • ProduktionDeutschland
  • Dauer98 Minuten
  • GenreDokumentarfilm
  • AltersfreigabeFSK 12

Filmkritik

Wer beim Filmtitel „The Sound of Cologne“ spontan an Wolfgang Niedecken, BAP, Zeltinger, De Bläck Fööss oder AnnenMayKantereit denkt, darf erleichtert aufatmen. Denn die sehenswerte filmische Recherche von Kristina Schippling widmet sich der Stadt Köln nicht als „Kölle mit Jeföhl“, sondern als einem innovativen Zentrum der elektronischen Musik nach 1945.

Von Ex-„Can“-Musiker Irmin Schmidt stammt auch ein Leitmotiv, das das eher disparate Material über weite Strecken strukturiert: Wenn man akzeptiere, dass eine neue Technik eine neue Ästhetik brauche, dann sei das okay. Wenn man versuche, einer neuen Technik mit der alten Ästhetik zu begegnen, wären die Resultate meist langweilig. Denkt man die Spanne zwischen dem kostspieligen experimentellen Aufbruch der elektronischen Musik in den 1950er-Jahren und der allmählichen Demokratisierung der Apparate durch ihre Erschwinglichkeit hinzu, dann sind die Jahrzehnte von Kreativität, die „The Sound of Cologne“ abzubilden versucht, auf unterschiedlichen Ebenen einigermaßen plausibel und tragfähig.

Fast wie an der US-West Coast

Zudem nähert sich Kristina Schippling dem „Sound of Cologne“ als Musikfan, aber nicht als Kölnerin. Sie bedient sich einerseits bei vielfältigem Archivmaterial (Stichworte: Messiaen, Boulez, Stockhausen, Mary Baumeister), greift andererseits aber auch auf Zeitzeugen zurück, die die Kölner Szene über Jahre beobachtet oder repräsentiert haben. Daraus resultiert ein mitunter etwas lokalpatriotisches Sich-selbst-auf-die-Schulter-Klopfen, aber auch eine erstaunliche Ungleichzeitigkeit. Denn dem einen erschien die Kölner Szene als ein Pool an Möglichkeiten, während ein anderer bei seiner Ankunft in Köln die erhoffte Party bereits als vorbei wähnte.

Später, nach dem Hype der Szene(n), lautet die Gretchenfrage: Erst nach Köln oder lieber gleich nach Berlin? Oder gerade nicht nach Berlin, sondern lieber ins entspannte Köln mit seinen freundlichen Menschen, wo man so lebt wie an der US-amerikanischen West Coast? Mit allen Freiheiten, aber auch mit der Neigung zur Selbstironie.

Die Geschichte von „The Sound of Cologne“ beginnt in der unmittelbaren Nachkriegszeit, als der Pionier Herbert Eimert beim damaligen NWDR, der später zum WDR umbenannt wurde, ein elektronisches Studio aufbaute, in dem Karlheinz Stockhausen und andere ihre frühen Studien in der Auseinandersetzung mit den französischen Exponenten der „Musique concrète“ realisierten. Zu Stockhausens Schülern zählten Irmin Schmidt und der Klangforscher Holger Czukay, die auf den Spuren von Stockhausens Experimenten die enorm einflussreiche Avantgarde-Rockband „Can“ gründeten. Mit dabei ist auch der vom Free Jazz kommende Drummer Jaki Liebezeit und der junge Rockgitarrist Michael Karoli. Mit „Can“ und den rheinischen Nachbarn „Kraftwerk“ und „NEU!“ aus Düsseldorf nahm der Krautrock international an Fahrt auf. Das Material, das Schippling an dieser Stelle zusammengestellt hat, ist spannend, aber weithin bekannt, zumal „Can and me“ gerade erst in den Kinos zu sehen war.

Eine subkulturelle Stadtgeschichte

Ungleich spannender sind hingegen die Synergieeffekte, die daraus resultieren, dass „The Sound of Cologne“ auch eine Art subkultureller Stadtgeschichte sein will oder auch sein muss. Schippling arbeitet mit ihrer vielstimmigen Recherche überzeugend heraus, dass die innovative Musikszene nach 1980 im Verbund mit einer gleichfalls sehr regen Kunstszene eine Dynamik entfaltete, die zusätzlich an Fahrt gewann, als das Musikmagazin „SPEX“ die unterschiedlichen Szenen im Zeichen der „Cultural Studies“ vernetzte. Ab Mitte der 1990er-Jahre war Köln mit der vitalen Clubszene, den Galerien, den international bekannten Spezial-Plattenläden wie „A-Musik“ und den diversen Labels wie Kompakt, dem Musiksender „Viva“ und der „Popkomm“, später „c/o pop“, tatsächlich ein kleines Paradies und Biotop unterschiedlicher Subkulturen.

Nicht grundlos geriet der Slogan „The Sound of Cologne“ zum Stadtmarketing, weil sich die Lokalpolitik für eine überschaubare Zeit darauf verständigte, dass ein florierendes Nachtleben auch touristisch attraktive Effekte besitzt. Zumal es sich bei Köln, das macht der Film nachdrücklich klar, um einen außerordentlich hässlichen urbanen Raum im und am Fluss handelt, mit einem „Sound of the City“, der die Filmemacherin öfters an einen Dschungel denken ließ.

Auf diese Weise bietet der Film ein buntes, mit Papageien und allerlei Getier angereichertes, aber nicht unbedingt gewichtetes Sammelsurium von Zeitzeugen und Szenegrößen auf, die die glanzvollen Jahre des „Sound of Cologne“ Revue passieren lassen: Mathias Schaffhäuser, Frank Dommert, Wolfgang Voigt, Jan St. Werner, Niobe, Michael Mayer, Georg Odijk, Waltraud Blischke oder Helmut Zerlett. Irritierend ist dabei allerdings die Machart des Films, denn die Statements sind zweisprachig, mal Deutsch, mal Englisch, mal schlechtes Englisch. Mitunter wechselt die Sprache sogar innerhalb eines Gesprächs, was den Eindruck entstehen lässt, man habe es mit einer Montage zweier Filme zu tun, von denen einer vielleicht zum Export bestimmt ist. Hinzu kommt, dass bereits ein anderer Film zum gleichen Thema existiert: „We built this City“ (2005). Teile daraus sind in „The Sound of Cologne“ zu sehen, was zu seltsamen Interferenzen führt.

Ohne den Glamour der heroischen Jahre

Man möchte also nostalgisch werden, denn ab Mitte der 2000er-Jahre zog der Zeitgeist von Köln nach Berlin um – und eine Vielzahl der Akteure und Multiplikatoren gleich mit. Seither dümpelt die Szene etwas verloren vor sich hin – und wartet vielleicht auf den nächsten Kick, um aus der Nische zu kommen. Wobei „The Sound of Cologne“ nachdrücklich klarstellt, dass in den kreativen Nischen Kölns noch immer viel los ist, allerdings ohne den Glamour der heroischen Jahre.

Erschienen auf filmdienst.deThe Sound of CologneVon: Ulrich Kriest (8.12.2023)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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