Szene aus Theater Camp
Filmplakat von Theater Camp

Theater Camp

Komödie
Szene 1 aus Theater Camp
Szene 2 aus Theater Camp
Szene 3 aus Theater Camp
Szene 4 aus Theater Camp
  • RegieMolly Gordon, Nick Lieberman
  • GenreKomödie

Filmkritik

Mit dem ersten langen Spielfilm von Molly Gordon und Nick Lieberman verhält es sich wie mit vielen anderen Debütfilmen: Er referiert unverblümt auf die Erfahrung der Regisseure und ist stark von ihrem Esprit geprägt. Von dem, was sie begeistert, was sie lieben und womit sie sich beschäftigen. Das sind das Theater, die Musik und die gemeinsame Kreativität; aber auch die filmische Inszenierung und das filmische Erzählen.

„Theater Camp“ fußt auf einem improvisierten Kurzfilm mit gleichem Titel, den Lieberman und Gordon 2020 zusammen mit Ben Platt und Noah Galvin realisierten. Die vier zeichnen in der Langfassung gemeinsam für das Drehbuch verantwortlich. Sie sind miteinander eng befreundet und arbeiten in unterschiedlichen Konstellationen immer wieder zusammen. Platt und Gordon kennen sich sogar seit früher Kindheit. Eine der Titelsequenz vorgestellte Szene, ein kurzer Werbespot für Kinder- und Jugendtheater, zeigt sie im Vorschulalter bei einem ihrer ersten Bühnenauftritte.

Bis heute stehen die beiden öfters gemeinsam vor der Kamera und auf der Bühne. Manchmal auch zusammen mit Noah Galvin, etwa im Off-Broadway-Musical „Alice By Heart“ 2019 in New York. In „Theater Camp“ sind sie in den wichtigsten Erwachsenenrollen zu sehen. Der einzige des Quartetts, der lieber hinter als vor der Kamera agiert, ist Nick Lieberman. Er hat in den letzten Jahren einige Kurzfilme, mit Ben Platt zusammen aber auch eine Reihe Musikvideos realisiert.

Ein persönliches Netzwerk

Der Blick auf die persönlichen Beziehungen der Filmemachenden hat seinen Grund im Gegenstand von „Theater Camp“, wo es genau um diese Beziehungen geht. Um den gemeinsamen Groove, der Freundschaften prägt. Um die Kreativität beflügelnde Begeisterung, die daraus hervorgeht, und darum, dass Reibungen und Auseinandersetzungen zwischen Menschen in kreativen Prozessen ebenso wichtig sind wie Vertrauen und gegenseitiges Verständnis.

Die Story des Films entwickelt sich chronologisch im Laufe einiger Sommerwochen. Joan Rubinsky, die Leiterin des einige Kilometer außerhalb von New York liegenden „AdirondACTS Camp“, fällt ins Koma. Damit das Theatercamp trotzdem stattfinden kann, übernimmt ihr Sohn Troy die Leitung. Troy ist ein Finanz-Vlogger und hat mit der Theaterszene nichts am Hut. Dann beginnt sich das Camp zu füllen.

Viele der Teilnehmenden waren früher schon mit dabei und feiern freudiges Wiedersehen. Auch das eingeschworene Leitungsteam des Camps ist schon seit einigen Jahren dabei: der für die schauspielerische Ausbildung zuständige Amos (Platt), die Musiklehrerin Rebecca-Diane (Gordon), der Tanzlehrer Gigi (Owen Thiele), der Kostümbildner Clive (Nathan Lee Graham) und der für Technik, Bühne und Ausstattung zuständige Glenn (Galvin). Ein paar Kinder und Jugendliche aber sind zum ersten Mal mit dabei und erleben aufgeregt mit, was für sie vielleicht der Beginn einer großen und oft auch erträumten Karriere ist.

„Theater Camp“ erzählt schnell und direkt. Der Film nimmt sich für die Einführung der einzelnen Figuren nur kurz Zeit. Es sind sehr viele Namen und Gesichter, die man sich kaum merken kann. Nach einer kurzen Begrüßungsrunde geht es direkt ins zackige Casting. Obwohl jedes Kind beim Vorsingen mit Namen und besonderen Eigenschaften und Vorlieben angekündigt wird, sieht man viele bloß die Bühne betreten, aber hört sie keinen einzigen Ton singen. Auch diesmal soll binnen drei Wochen ein neues Musical auf die Beine gestellt werden. Es trägt den Titel „Joan, Still“ und soll vom Leben der im Koma liegenden Camp-Leiterin handeln.

Drei Erzählstränge und viele Episoden

„Theater Camp“ fokussiert aber weder auf die Erarbeitung dieses Musicals, noch folgt der Film der Entwicklung einzelner Kinder, unter deren Darstellern einige durch großes gesangliches und/oder schauspielerisches Talent auffallen. Vielmehr verwebt die Patchwork-artige Montage drei größere Erzählungen, in die sich unzählige kleine Nebenepisoden einflechten.

Eine der Geschichten handelt vom Finanz-Vlogger Troy, der schon als Kind mit der Theaterleidenschaft seiner Mutter nichts anzufangen konnte und es nun mit seinem Job als Camp-Manager schwer hat. Er ist im Camp so fehl am Platz wie der sprichwörtliche Elefant im Porzellanladen. Er hört auch nicht zu, als man ihn warnt, dass die finanzstarken Besitzer der angrenzenden Liegenschaft seit Jahren expandieren möchten.

Zum anderen gibt es Amos und Rebecca-Diane. Sie haben sich als Jugendliche im Theatercamp kennengelernt und träumten damals wie heute von einer gemeinsamen Schauspielkarriere. Doch sie haben den Sprung an die etablierte Juilliard School in New York nicht geschafft. So strampeln sie sich durchs Leben und kehren seit Jahren ins Theatercamp zurück, um mit den Kindern zu komponieren und zu schauspielern. Dieses Jahr durchleben sie die bisher größte Krise ihrer Beziehung.

Die dritte Geschichte handelt von Glenn. Er ist als Praktiker mit der Technik, Kostümen und Bühnenbau betraut und überall mit dabei. Er unterstützt und hilft, wo er kann, und mausert sich auch tänzerisch und schauspielerisch begabt wie Phoenix aus der Asche zum Bühnenstar, ohne den die aktuelle Theateraufführung nicht zustande käme.

Viel Herzblut & Insiderwitze

Lieberman und Gordon erzählen eilig. Im schnellen Wechsel zwischen einzelnen Szenen und immer auf kleine Pointen bedacht. Als Inspirationsquellen für „Theater Camp“ nennen sie Robert Altman und seine vom Geist der Improvisation durchdrungenen Ensemblefilme. Aber auch die Mockumentarys von Christopher Guest wie etwa „Waiting for Guffman“ und „A Mighty Wind“ standen Pate. Tatsächlich wirkt in „Theater Camp“ vieles stark improvisiert. Dem Film haftet der Hauch des Dokumentarischen an, und ein Ensemblefilm ist er zweifelsohne auch.

Doch Lieberman und Gordon sind (noch) weit von der geschmeidigen Meisterschaft entfernt, die Altmans Filme prägte. Und was genau an diesem sich unübersehbar an der Realität orientierenden Film ein „Mockumentary“ sein soll, und was sie damit bezweckten, wird nicht ganz klar.

Als unterhaltsame, mit viel Herzblut gedrehte und in ihrer luftigen Erzählweise erfrischend unkonventionelle Komödie gehört „Theater Camp“ zum jungen, unabhängigen US-amerikanischen Filmschaffen. Das Publikum wird darin angesichts der vielen, auf persönliche Erfahrungen verweisenden Details und Insiderwitze bisweilen aber etwas vergessen.

Erschienen auf filmdienst.deTheater CampVon: Irene Genhart (22.11.2023)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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