Szene aus Magic Mike - The Last Dance
Filmplakat von Magic Mike - The Last Dance

Magic Mike - The Last Dance

112 min | Drama, Komödie, Musik | FSK 12
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Mike Lane (Channing Tatum) arbeitet mittlerweile als Barkeeper in Florida. Er trifft auf eine reiche Gesellschaftsdame (Salma Hayek), die ihm ein Angebot macht. Er soll in England eine Show auf die Beine stellen und eine Truppe neuer Tänzer:innen ausbilden.

Filmkritik

Mike (Channing Tatum) hat seinen letzten Tanz getanzt. Das Stripperleben, im Club und unterwegs mit den Jungs, ist vorbei. Ein Voice-Over deutet den Kontext an: Pandemie, die Ökonomie im freien Fall. Nun steht er im Schatten einer Luxusvilla in Miami – als Kellner. Mike braucht Geld. Gastgeberin Maxandra (Salma Hayek) hat Geld. Sie braucht etwas, das sie vom Upper-Class-Getue ablenkt. Deshalb lädt sie Mike für einen letzten Tanz ins Wohnzimmer ein. Die stolze Summe von 6000 Dollar beendet sein anfängliches Zögern.

Er räumt das Zimmer um, arrangiert die Dekoration neu, testet die Stabilität der Regale und setzt Maxandra auf einen Stuhl. Dann startet die Musik. Die still vereinbarte Distanz, die es bei jedem Striptease gibt, ist schnell vorbei. Bald liegt nicht mehr Mike auf Maxandra, sondern Maxandra auf Mike. Es ist weniger ein Tabubruch als das Eingeständnis, tatsächlich verführt worden zu sein. Der Zynismus, der anfangs noch mit der Aufforderung zum Tanz mitschwang, ist der Leidenschaft gewichen.

Der Tanz mit Mike hat, ihren eigenen Worten nach, ihr Leben verändert. Doch wie das Umfeld der schrulligen Millionärsfrau, insbesondere deren Tochter (Jemelia George), zu verstehen geben, sind die lebensverändernden Ereignisse in Maxandras Leben keine Seltenheit. Für Mike spielt das zunächst keine Rolle. Er hat, pleite wie er ist, keine Wahl, als das großzügige Angebot, das sie ihm am nächsten Morgen macht, anzunehmen. Mike soll Maxandra nach London begleiten und in ihrem Haus leben. Doch statt in ihrem Bett zu schlafen, soll er an ihrem Theater arbeiten und inszenieren: kein dröges Sprechtheater, sondern eine Strip-Show.

Außen Michael, innen Mike

An der Oberfläche spielt „Magic Mike’s Last Dance“ seine Prämisse gleichermaßen als „fish-out-of-water“-Komödie wie auch klassisches „Geld oder Liebe“-Szenario durch. Mike versucht sich nicht nur in seiner unverhofften Rolle als Regisseur und Choreograph, sondern auch in der schummrig, elegant und teuer ausgeleuchteten Welt des Upper-Class-Londons zurechtzufinden. Doch die Fremdheit des Strippers inmitten dieser dekadent-zynischen Welt ist, abseits des einen oder anderen Gags, keine schlichte Klassenverhältnis-Komödie. Mike grenzt sich nicht primär als ungebildeter Proletarier von der modernen High Society ab. Es ist seine Aufrichtigkeit, seine absolute Unfähigkeit, sich zu verstellen, die ihn von der allein auf Fassade gebauten Welt unterscheidet, die Maxandra umgibt. Den Freunden wird er als der Regisseur Michael Lane vorgestellt; in ihrem Haus, wo er auch über Nacht zu Gast ist, wie auch auf der Bühne bleibt er schlicht Mike.

Der dritte Teil der Filmreihe von Steven Soderbergh, die als geradliniges und überraschend vielschichtiges Drama über das Stripper-Dasein im denkbar unglamourösen Tampa in Florida begann und sich zum wiederholten Sommerhit mauserte, erkundet im dritten und wohl letzten Teil seine eigene Essenz: Körper, Bewegung, Tanz, Sex. Das Intellektuelle ist hier das Oberflächliche. Der Körper trägt das ganze Menschsein in sich. Nicht zwischen Luxusrestaurant, Harrods und Limousine findet das Leben statt, sondern dort, wo Körper in Bewegung kommen, sich bei der Intimität des Wohnzimmer-Stripteases oder dem Oben-Ohne-Spektakel auf der Bühne berühren und einander begehren.

Ein Voice-Over, das wie ein dem Film angehängter Essay wirkt, begleitet Mike durch den Film, gibt dem choreographierten Ausziehen und den Trockensex-Shows einen anthropologischen Anstrich. Eine scheinbar irritierende Fußnote zu einem Film, der sich primär für nackte Oberkörper interessiert. Doch Soderbergh glaubt an den Körper. Er glaubt an seine Kraft, den Urzustand wiederherzustellen, den ein von Dekadenz, Zynismus und Routine vernebelter moderner Geist nicht mehr wahrzunehmen vermag. Der Körper in Bewegung bringt die verlorene Millionärin zurück auf Kurs, durchdringt die Dekadenz und die Fassade des modernen Luxuslebens, ja sogar die blödsinnige Bürokratie, die der Show an einem Punkt des Films im Weg steht.

Eine Strip-Version von „Schwanensee“

Die eigentliche Schlüsselszene des Films ist entsprechend weder der so intime wie den zahmen US-amerikanischen Altersempfehlungen nach fast triviale Privatstrip zu Beginn des Films noch die bombastische Show an dessen Ende. Tatsächlich ist das beste Sinnbild für den trotz Voice-Over erneut unprätentiösen Soderbergh’schen „Body Talk“ der wie ein Überfall geplante Strip für eine Mitarbeiterin vom Bauamt, die in einer derart traurig-routinierten Einsamkeit lebt, wie man sie sonst nur aus den Prologen moderner Disney-Filme kennt. Auf dem Weg zum nächsten Tagesabschnitt dieses Lebens wird sie mit einer, in ihren täglichen Arbeitsweg hineinchoreografierten Strip-Version von Tschaikowskis „Schwanensee“ bezirzt. Das befördert die Frau aus der tristen Routine und der eigenen Scham zurück ins Leben – nicht mit intelligenter Masche, makelloser Rhetorik, stichhaltigem Argument oder praller Geldbörse, sondern allein mit einem Dutzend austrainierter Männerkörper.

Eine aufrichtige, naive und ehrliche Vision von Ekstase, die dem Kino, das die Bewegung immer schon geliebt hat, wie auf den Leib geschnitten ist. Steven Soderbergh glaubt aufrichtig an diese Vision. Die Frau aus dem Bauamt auch. Für den letzten Tanz sitzt sie in der ersten Reihe.

Erschienen auf filmdienst.deMagic Mike - The Last DanceVon: Karsten Munt (28.1.2024)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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