Szene aus The Gray Man
Filmplakat von The Gray Man

The Gray Man

128 min | Action, Thriller | FSK 16
Tickets
Szene 1 aus The Gray Man
Szene 2 aus The Gray Man
Szene 3 aus The Gray Man
Szene 4 aus The Gray Man
Szene 5 aus The Gray Man
Szene 6 aus The Gray Man
Szene 7 aus The Gray Man
Szene 8 aus The Gray Man
Szene 9 aus The Gray Man
Szene 10 aus The Gray Man
Court Gentry, ein erfahrener CIA-Agent, wird, nachdem er rufschädigende Staatsgeheimnisse über seinen eigenen Arbeitgeber aufdeckt, von seiner eigenen Agentur zur Fahndung ausgerufen und Kollegen, mit der Befugnis ausgestattet, ihn zu töten, auf ihn angesetzt.

Filmkritik

Um seine Gefängnisstrafe zu verkürzen, tritt Court Gentry (Ryan Gosling) als Auftragskiller in den Dienst des CIA. Bekannt ist er dort lediglich als „Sierra Six“, einer Kombination aus dem Namen des Rekrutierungsprogramms und seiner Agentennummer. Seiner neuen Identität entsprechend ist Gentry ein Mann ohne Eigenschaften: verlässlich, treffsicher und so unscheinbar, dass man ihn kaum wahrnimmt. Ryan Gosling spielt ihn als schweigsamen, netten und unbesiegbaren Kerl von nebenan. Seine weichen, fast statischen Gesichtszüge und der immer leicht schläfrige Blick stehen im Kontrast zum gestählten Oberkörper und den langen, tiefen Narben, die ihn zieren.

In „The Gray Man“ steht zunächst weniger der Held als das aufwändige Drumherum im Vordergrund. Über der Skyline Bangkoks rauscht die Kamera durch ein explodierendes Feuerwerk und landet in einem schicken VIP-Club. 18 Jahre nach seiner Rekrutierung soll Gentry hier jemanden liquidieren. Nicht auf die einfache Art, sondern mit einem präzisen Schuss durch zwei Stockwerke hindurch. Nachdem das nicht funktioniert, erfährt Gentry beim Faustkampf im Neonschimmer, dass sein Opfer eigentlich ein Kollege ist und sein Boss (Regé-Jean Page) ziemlich viel Dreck am Stecken hat. Mit einem Chip voller brisanter Daten wird er von nun an zum globetrottenden Einzelkämpfer gegen seine ehemaligen Auftraggeber.

Die Metropolen der Welt werden zu Action-Setpieces

Mit „The Gray Man“ begann der Schriftsteller Mark Greaney 2009 eine mittlerweile neunteilige Romanreihe. Die Adaption der Brüder Joe Russo und Anthony Russo ist nun der Versuch, mit den Geschichten um Court Gentry auch ein filmisches Franchise zu starten. Zu den Hauptattraktionen des Films zählt die globale Rastlosigkeit. Jeder der zahlreichen Ortswechsel wird mit fetten Lettern eingeblendet: Hongkong, Baku, Wien, Prag, Berlin und so weiter. Fast jede Stadt dient dabei als Action-Setpiece. Mal muss sich Gentry aus einem Kerker befreien, mal versuchen, zwischen Polizei und Killern am Leben zu bleiben, während er an einen Brunnen gekettet ist, oder durch ein barockes Gartenlabyrinth irren.

Die Russo-Brüder konzipieren ihren Film als bewährtes Rezept aus spektakulären Schauplätzen, materialvernichtenden Actionszenen, augenzwinkerndem Humor und ein bisschen Drama. Während Gentry von dem psychopathischen Killer und Folterexperten Lloyd Hansen (Chris Evans) gejagt wird, erfahren wir in kurzen Rückblenden mehr über seine tragische Kindheit, die herzliche Beziehung zu seinem einstigen Förderer Fitzroy (Billy Bob Thornton) sowie zu dessen Nichte Claire (Julia Butters), die von Hansen als Druckmittel eingesetzt wird.

Die Action sieht gut aus, entwickelt aber nur selten physische Wucht

„The Gray Man“ will aus den Vollen schöpfen, ist aber oft vorsichtig und formelhaft. Gerade das Ausufernde bleibt eher behauptet als auch tatsächlich virtuos umgesetzt. Die Actionszenen sind aufwändig und teilweise stylish, leiden aber oft darunter, dass man sich als Zuschauer seltsam unbeteiligt fühlt. Wenn Gentry etwa eingehüllt im roten Nebel einer Leuchtkerze seine Widersacher aus einem Flugzeug wirft oder im Kugelhagel auf einer Straßenbahn herumturnt, sieht das nicht unbedingt schlecht aus. Die Inszenierung bleibt dabei aber häufig so ausschnitthaft und unübersichtlich, dass das Geschehen fast abstrakt wirkt. Weder bekommt man in den oft etwas schummrigen und kontrastarmen Bildern ein Gefühl für den Raum, noch für die athletischen Körper, die sich durch ihn kämpfen.

Ein noch entscheidenderes Problem des Films ist seine Hauptfigur. Dass Gentry zugleich blass und fast übermenschlich stark wirkt, liegt zwar in seiner Natur begründet, macht ihn aber auf Dauer zu einem undankbaren Helden. Gosling ist ein nahbarer Typ, aber wenn er ständig ohne Anstrengung und emotionale Regung gegen sämtliche Widerstände kämpft, fehlt es an Reibung. Am ehesten gibt es noch Spannung zwischen ihm und dem schmierigen Proll Hansen. Ein kurzes, mit Fäusten und genüsslich geflüsterten Provokationen garniertes Duell macht Lust auf mehr, aber man wartet vergeblich. Den restlichen Film verfolgt Hansen die Jagd auf Gentry überwiegend auf Monitoren und lässt andere die Drecksarbeit machen. Obwohl in „The Gray Man“ ständig was los ist, sieht man dem Geschehen oft ähnlich distanziert zu.

Erschienen auf filmdienst.deThe Gray ManVon: Michael Kienzl (18.7.2022)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
Über Filmdienst.de Filmdienst.de, seit 1947 aktiv, bietet Filmkritiken, Hintergrundartikel und ein Filmlexikon zu neuen Kinofilmen aber auch Heimkino und Filmkultur. Ursprünglich eine Zeitschrift, ist es seit 2018 digital und wird von der Katholischen Filmkommission für Deutschland betrieben. filmdienst.de